Der Fuß

Der Fuß. Der mir jetzt wieder die Freiheit bringen sollte. Die Rückkehr in mein altes Leben. Nach unendlichen 10 Wochen Krücken und Rollstuhl. Nach 2,5 Monaten Leben als Beraubter. Von Selbstbestimmtheit Kastrierter. Rolli-Fahrer, Krücken-Läufer. Das Fragment eines Mündigen. Der Rest eines Aktiven. Empfänger.

Alle Hoffnung auf heute. Der Tag, der die Rückkehr in das alte Leben sein soll. Schlaflos. Erwartungsvoll. Lauter Bilder des neuen Lebens.
Dann die Realität. Nichts hat sich getan. 2,5 Monate und nicht die Tendenz einer Heilung. Nichts, rein gar nichts. Heute alles identisch wie vor 10 Wochen nach der OP. Alles auf Null.

Wie der Knochen, so der Geist. 2,5 Monate vertane Disziplin. Darben, leiden, siechen. Für den Moment der Erlösung.
Der nie kam.
Alles an Hoffnung auf diesen Augenblick. Und in gleichem Maß die Zerstörung.
Alle Illusionen weg, Hoffnungen zerstört.

Was jetzt kommt ist Krankenhaus, Operation rückgängig machen. Unterschrieben, dass von Bakterien zerfressene und tote Knochen entfernt werden dürfen.
Rolli-Man muss weiter machen. Auf unbestimmte Zeit.
Die Welt aus Knie-Höhe betrachten. Mit Hunden auf Augenhöhe sein. Mit aufgehenden Türen kämpfen. In Aufzügen nicht oben drücken können …
Tiefpunkt. Dieses Leben da unten ist eine Degradierung.
Diese nun als weitere Perspektive.
Dieses Unten als Zukunft.
Kein Rezept, keine Hoffnung, keine Methode. Keine Lösung.

Lamentiert, gehadert, verzweifelt. Gegrübelt und gedacht.
Und nach langer Zeit zu den echten Schicksalen gelangt.

Bei Menschen mit Diagnosen, die über einen gebrochenen Fuß lachen.
Menschen, die echt was haben. Nicht einen Bruch im Fuß, der vergeht. Wann auch immer, und sei es nach Monaten. Und dessen Besitzer nach Zeiten am Rad dreht, bei denen Andere erstmal angefangen haben, beim Kampf gegen all ihren Hardcore-Kram gerade mal warm zu werden…
Ja, ich bin kastriert. Um all die Dinge, die mir wichtig sind. Doch ich lebe. Ich atme. Was ein Privileg. Ich spüre Nähe, ich spüre Freunde, Nähe, Verbundenheit, Beistand.
Das, was ich habe ist unerwartet und es ist schlecht. Nur, wenn ich alles Leid auf dieser Welt nehme, ist es maximal eine Randnotiz.
Ich lasse laufen,
nicht ich bin der Ärmste.
So viele Schicksale, viel ärmer als ich …

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